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Ein Tag auf dem Jakobsweg

Die Nacht im Hochbett war kurz für mich. Meine viel zu empfindliche Nase hat die Mischung aus Gummi-Matratze und Männer-Mief im Mehrbettzimmer der Herberge in Cee leider nicht gut vertragen. An das Schnarch-Pups-Konzert hatte ich mich nach kurzem irgendwie gewöhnt. Aber die Ausdünstungen haben mir den Schlaf geraubt. Ich meine, dass sogar die Düfte selbst gern geflüchtet wären. Aber die Jalousien haben einfach alles abgedichtet…

Meine Liebste ist den Jakobsweg gegangen. Und ich bin auf den letzten Metern dazugestoßen. Gemeinsam von Santiago bis ans „Ende der Welt“ – nach Fisterra. Eine wunderschöne Etappe mit großartigen Begegnungen. Man sagt, der Jakobsweg gibt einem das, was man braucht und hat seine eigene Magie.

Nach ewigem flachen Land, viel Staub, viel Straße, viel endloser Horizont ohne Wasser. Und dann diese Belohnung. SO GEHT FREIHEIT!

Nein, die Situation im Schlafsaal war nicht die Magie. Das ist einfach das Leben. Der Alltag auf dem Jakobsweg. Dem gegenüber steht die Magie. Die Begegnungen. Ein Schritt vor den anderen zu setzen. Immer weiter zu gehen. Vielleicht sogar bis ans Ende der Welt.

Schon das Gespräch mit der Hebamme aus Lüneburg während des geselligen Frühstücks in der Gemeinschaftsküche hat die Nacht und Müdigkeit vergessen gemacht. Und die aufgehende Sonne in der Bucht – eingerahmt vom Küchenfenster.

Jakobsweg – Einblicke und Moods | SO GEHT FREIHEIT | Jan StieweNatürlich haben wir uns beim Frühstück verquatscht. Es war einfach zu nett. Aber wir hatten heute mindestens 14 km Fußmarsch vor uns. Und ich untrainiert. Also mussten wir noch mit der Morgensonne los, um nicht in die Mittagshitze zu geraten.

Der Weg nach Fisterra wird auch der Weg zum Ende der Welt genannt. Wenn ein echter Pilger – also nicht ich, sondern meine Liebste – den ganzen Weg hinter sich gebracht hat, dann sieht das wie im folgenden Panorama aus. Das muss ein unglaubliches Gefühl sein, auf diese Aussicht zu treffen. Nach ewigem flachen Land, viel Staub, viel Straße, viel endloser Horizont ohne Wasser. Und dann diese Belohnung. SO GEHT FREIHEIT!

Jakobsweg – Einblicke und Moods | SO GEHT FREIHEIT | Jan Stiewe

Aber schon der Weg dorthin, ließ auch mich die Magie dieses Weges spüren. Viel unberührte Natur, zwei alte Männer auf einer Bank, zutrauliche Katzen, Hunde, Schafe und Hühner. Aber auch heruntergekommene Häuser, verlassene Gegenden, Geröll auf den Straßen.

Kurz den Moment genießen und weiter. Alles ist vergänglich. Auch das merkt man hier auf dem Weg.

Der bunte Mix des Lebens eben. Dem kann man hier nicht entgehen. Weder bei Nacht im Hochbett noch am Tag auf dem Weg. Und es geht immer weiter zur nächsten Station. Dem Weg weiter folgend.

Das Universum meinte es gut mit uns an diesem Tag. Das Wetter war einfach perfekt. Das Licht. Der leichte Windhauch. Eine besondere Stimmung lag in der Luft. Die Schönheit des Weges nach Fisterra war unfassbar. Ich konnte mich gar nicht sattsehen (und fotografieren). Wir mussten uns immer wieder von wunderschönen Situationen und Blickwinkeln lösen und weiterziehen. Kurz den Moment genießen und weiter. Alles ist vergänglich. Auch das merkt man hier auf dem Weg. Aber auch, dass es gut so ist, den Moment zu nutzen und ihn wieder hinter sich zu lassen. Auf zum nächsten. Es warten noch unzählige auf einen. Man kann nichts verpassen.

Aber man kann auch einfach mal stoppen. Mehr als nur innehalten. Wir zwei haben gleich nach der Ankunft in Fisterra spontan beschlossen zu bleiben. Und nicht weiter zu ziehen. Der Strand, die Ruhe, die gemütliche Zweisamkeit war uns nach Wochen der Trennung nun wichtiger als die nächste Etappe. Auch das ist im Moment sein. Was möchte der Körper, das Herz jetzt gerade? Und nicht aus Prinzip und vielleicht sogar blind weitermachen, um ein vermeintlich wichtiges Ziel zu erreichen.

Flut und Ebbe. Perfekte Muschelfundstücke. Tanzende Möven. Urzeitkrebse. Alles dabei. Wie geil ist das?

Man ist schon längst angekommen. In jedem Moment. Und braucht gar nicht den nächsten. Das fühlte ich. Sehr befriedigend. Einfach entscheiden. Einfach machen.

Der Tag und der nächste Morgen in der Bucht von Fisterra beschenkten uns dann noch unzählige dieser wundervollen Momente. Einen Sonnenuntergang und -aufgang. Flut und Ebbe. Perfekte Muschelfundstücke. Tanzende Möven. Urzeitkrebse. Alles dabei. Wie geil ist das? Bilder sagen auch hier mehr als Worte.

Selbst auf diesem kleinen Abschnitt haben wir mehrere Menschen in den aberwitzigsten Situationen wiedergetroffen, die meine Liebste während Ihres Weges kennengelernt hatte. Ich wurde nach 2 Minuten Sichtkontakt nach Kolumbien eingeladen, von einer Heilerin gedrückt, von einem Koreaner angelächelt und habe der Urnen-Geschichte einer Amerikanerin lauschen dürfen. Sie trug die Asche Ihres Bruders bis ans Ende der Welt, um ihren Frieden zu finden. Sehr bewegend.

Lässt man sich komplett ein auf diesen Weg, gibt er einem, was man gerade braucht.

Während dieser Woche auf dem Jakobsweg konnte ich abschalten. Die Pflichten Pflichten sein lassen. Die Sorgen Sorgen. Lässt man sich komplett ein auf diesen Weg, gibt er einem, was man gerade braucht. Das kann auch unangenehm oder negativ sein. Es kommt das hoch, was hochkommen muss. Man verlässt die Komfortzone und stellt sich seinem inneren Ich. Mit oder ohne Wanderstöcke. Reich oder arm. Dick oder dünn. Das war für mich die Magie des Weges. Das spürte ich schon auf diesem kurzen Abschnitt. Die Intuition dankt.

Und meine Liebste? Sie hat einige Ängste überwunden. Wurde liebevoll nur als Mensch wahrgenommen. Hat viel Liebe und Zuspruch erhalten. Ihre Qualitäten intuitiv ausspielen können. Ist gewachsen. Hat Mut gewonnen. Zufriedenheit. Leichtigkeit. Magisch!

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Hier noch mein Video zum Jakobsweg

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